Web 2.0 Startups und Dienste, der Wettlauf ums Überleben hat begonnen

Web 2.0 Es wird still und besinnlich zur Weihnachtszeit, aber still ist es auch in deutschen E-Mail-Postfächern geworden, denn wo vor 1-2 Jahren noch jede Woche ein neuer Internet-Startup aufdringlich um aufmerksam buhlte, herrscht heute besinnliche Ruhe. Die weltweite Finanzkrise macht auch vor der schönen und neuen Web 2.0 Welt nicht halt und auch in Deutschland taumeln immer mehr Internet-Startups und geraten zusehends in arge Geldnöte.

Schon viele mussten der Realität ins Auge blicken und aufgeben, andere suchen derweil verzweifelt und händeringend nach neuen Finanzierungsquellen. Bei manch einem mag da nun ein leises Glöckchen erklingen und das Platzen der Blase zu Beginn des neuen Millenniums in Erinnerung treten.

Nach dem großen Crash vor acht Jahren bemühen sich die Internet-Firmen der zweiten Generation verzweifelt, aus ihren Nutzern Profit zu schlagen. Doch das gelingt nur wenigen. Der Wettlauf ums Überleben im Web 2.0 hat begonnen und Wirtschaftsexperten geben angesichts der momentanen Finanzkrise nur noch wenigen Startups im Web 2.0 eine reale Überlebenschance. Der 37-jährige Internet-Pionier und Netscape-Gründer Marc Andreessen bezeichnet die momentane Situation gar als "nuklearen Winter und die große Kälte, die er gegenwärtig in der Hightech-Branche heraufziehen sieht, kommt schneller als gedacht und härter als erwartet".

Bereits im Sommer 2007 habe ich in einem Artikel die Frage gestellt, wann die Blase der Web 2.0 Startups und Dienste endlich platzt und nun, gut 16 Monate später, scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Lycos Europe, eine der großen Hoffnungen der New Economy, die Segel streicht und den Betrieb in Europa einstellt.

Der im Jahr 1997 gegründete Europa-Ableger der US-Internetfirma Lycos (griechisch für Wolf), der im Jahre 2000 den Börsengang vollzog, spielte in der ersten Liga der Suchmaschinen und Internetportale und wuchs, lange vor Google und Yahoo, sogar zum meistbesuchten Internetportal Europas heran. Aber trotz des durch den Börsengang millionenschweren Geldregens (641 Mio. EUR) konnte das Unternehmen niemals ertragreich arbeiten. Zu gering waren die Werbeeinnahmen des Portals und wenn ein solcher Riese sich nun beugen muss, welchem Untergang schippern da die Internet-Startups der zweiten Generation entgegen?

Der Niedergang macht vor keiner Idee halt und so trifft es auch die wirklich innovativen Trendsetter wie z.B. der Live-Shopping Internet-Shop Schutzgeld. Im Jahre 2006 startete dieser Shop mit einer neuen Idee, welcher als der große Trend im E-Commerce galt, dem Live-Shopping. Beim Live-Shopping bietet ein Händler jeden Tag nur ein Produkt an, welches preislich reduziert ist. Dabei tickt eine Uhr im 24-Stunden-Rhythmus Sekunde um Sekunge gen Null und soll so, ähnlich wie die abnehmende Anzeige der noch verbleibenden Stückzahlen beim TV-Home-Shopping, den Jäger und Sammlerinstinkt beim Schnäppchenjäger wecken. Seither schossen Live-Shopping-Portale wie Pilze aus dem Boden und heute fällt es schwer, noch den Überblick zu behalten.

Die Idee an sich bzw. Live-Shopping als Instrument zur Kundenbindung, finde ich persönlich absolut überzeugend und setze diese Möglichkeit auch vermehrt bei den von mir realisierten Shops als zusätzliches Absatzinstrument ein. Es eignet sich hervorragend für Händler, um Restposten, Auslaufmodelle und Messeware einfach und wirksam anzubieten.

Für sich alleine stehend sah ich persönlich die Live-Shopping-Portale sehr skeptisch, denn in einem herkömmlichen Shop habe ich eine bestimmtes Sortiment und Produktpalette, wohingegen in einem Live-Shopping-Portal vom Messerset bis zum Plasma-Fernseher alles angeboten wird. Darüberhinaus jedoch gibt es nur ein Produkt am Tag und ist man an diesem nicht interessiert, geht man ohne sich länger mit dem Angebot zu befassen. Zumal es mittlerweile wie gesagt ein unüberschaubarer Pulk an solchen Live-Shopping-Portalen gibt und es trotz Angebots-Übersichten wie z.B. liveshopping-aktuell.de zusehends schwerer fällt, die wirklichen Schnäppchen zu finden.

Als zusätzliches Instrument in herkömmlichen Online-Shops, wird das Live-Shopping gerade erst populär und beliebt, den alleinstehenden Live-Shopping-Portalen hingegen, sage ich jetzt schon den Status als "Auslaufmodell" voraus, denn der Hype um diese Portale ist bereits verpufft. Schutzgeld.de, das Portal welches nach außen mit einem mafiösen Image auftrat und somit im Gegenteil zu all den anderen Live-Shopping-Diensten auch noch ein wirklich witziges Image zu bieten hatte, musste also Anfang November seine Pforten schließen.

Wenn nun also wirkliche Trends und Ideen kein Garant mehr für Erfolg und Umsatz sind, was erwartet da die meist innovationslosen und stellenweise haarstreubenden Ideen der Web 2.0 Startups?

Das Startup-Sterben hat laut WirtschaftsWoche jedenfalls auch in Deutschland begonnen. In einer Umfrage von wiwo.de mit 151 befragten Internet-Startups (Siehe Grafik unten) sehen bereits mehr als die Hälfte ihre Existenz bedroht. Ganze 71 Prozent der Unternehmen reagieren auf die Krise mit Kostensenkungen. Insgesamt sehen sich 6,2 Prozent von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise akut bedroht, aber immerhin 45,2 Prozent halten es für möglich, dass sie noch in Schieflage geraten können. Bei 15,8 Prozent ist in den vergangenen Monaten eine bereits erwartete Finanzierung kurzfristig ausgefallen.

"Das Schlimmste ist die Angst", sagt ein Gründer, "im Moment haben viele das Gefühl zu fallen, wissen aber nicht, wo der Boden ist."

Umfrage der WirtschafstWoche unter 151 deutschen Internet-Startups

Es scheint also, als hätte sich eine Branche, die sich selbst immer auf der Überholspur sah, endlich geerdet und ist dort angekommen, wo eigentlich ein jeder Unternehmer beginnen sollte, auf dem Boden der Tatsachen, mit realistischen Verhältnissen vor Augen. Wobei man wohl eher sagen muss, dass die Investoren und Kapitalgeber, hier den Hahn zugedreht haben und endlich erkannt haben, dass mit Werbeeinnahmen und Benutzerdaten alleine kein Profit zu machen ist.

Eine positive Bilanz können hier also einzig Dienste wie XING ziehen, bei denen die Mitglieder einen echten Wert und Nutzen aus dem Angebot ziehen und folglich bereit sind, in Form von Premiummitgliedschaften auch Geld in diesen Dienst fließen zu lassen.

Es werden die großen Dienste und die ursprünglichen innovativen Ideen sein, welche sich bereits durchgesetzt haben und auch weiterhin etablieren und festigen werden. Denn Dienste wie YouTube, MySpace und Facebook sind heute aus dem Internet nicht mehr wegzudenken, wohingegen alberne, obskure und schrille Web 2.0 Phantasien wie Wakcopa, Yoomba, Oodle und Kaboodle immer mehr ihre Daseinsberechtigung verlieren und nach und nach endlich auch wieder verschwinden werden.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 4. Dezember 2008 um 13:17 Uhr veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Web 2.0 abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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